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l. Die Phase der Gründung

Die Geschichte des Christentums ist in weiten Teilen eine Geschichte der Reformbewegungen. Immer wieder hat es Gläubige gegeben, deren geistigen und religiösen Bedürfnissen die vorhandenen Strukturen und Institutionen nicht genügten, die daher – vielfach zunächst nur für sich selbst – nach neuen Wegen zu Gott gesucht und nach erfolgreicher Suche diese Wege auch anderen gewiesen haben. Seit der Zeit Karls des Großen hatte die weltliche Gewalt zunehmenden Einfluß auf die Kirche gewonnen. Mehrfach haben Kaiser und Könige entscheidend in die Papstwahlen eingegriffen; dabei haben zumeist religiöse Motive nur eine geringe Rolle gespielt.

Seit dem 10. Jahrhundert hatten die Herrscher den Bischöfen und Äbten im heiligen römischen Reich auch weltliche Herrschaftsrechte übertragen. An diesen geistlichen Reichsfürsten fanden sie lange eine sichere Stütze. Aufgrund dieser Interessenlage haben sie immer wieder versucht, Bischofswahlen zu beeinflussen und ihre Kandidaten durchzusetzen. Auch hier dominierten in der Regel politische Motive. Dies hatte zur Folge, daß für große Teile der kirchlichen Hierarchie die weltliche Politik im Vordergrund stand und die Seelsorge in den Hintergrund gedrängt wurde.

Die Aufgaben der Kirche aber lagen und liegen im religiösen Bereich. Das Bewußtsein darum, das immer vorhanden war, hat im Laufe des 11. Jahrhunderts zugenommen. Es entstand eine Reformbewegung, die die Kirche zu ihren Anfängen zurückführen, sie auf die eigentlichen Aufgaben konzentrieren und zu diesem Zweck von weltlichem Einfluß befreien wollte; sie fand Anhänger nicht nur unter der Geistlichkeit, sondern auch unter den Laien. Von dieser Seitesprach man dem Kaiser das Recht zur Mitwirkung in geistlichen Angelegenheiten ab; insbesondere verwehrte man ihm jeden Einfluß bei der Wahl der Bischöfe. Da diese aber eine wesentliche Stütze seiner Macht waren und in weiten Regionen weltliche Herrschaft ausübten, konnte der Kaiser dies nicht unwidersprochen hinnehmen. Es kam zu einer erbitterten, sich über Jahrzehnte hinziehenden Auseinandersetzung, die man als Investiturstreit bezeichnet.

Dieser wurde im Jahre 1122 durch einen Vertrag (Wormser Konkordat) beigelegt. Der Einfluß des Kaisers auf die Wahl der Bischöfe, die weiterhin weltliche Macht ausübten, wurde wesentlich verringert. Der Reformwillen weiter Kreise fand indessen nicht nur seinen Ausdruck im Kampf für die Freiheit der Kirche von weltlichem Einfluß, sondern auch im Engagement bei der Neugründung geistlicher Institutionen. Die Gründer waren vielfach Laien, die oft selbst in das von ihnen gegründete Kloster oder Stift eintraten, um so Gott näher zu kommen. Die bisher üblichen, zu Beginn des 9. Jahrhunderts auf Initiative des Kaisers eingeführten Modelle- Benedediktinerkloster und Kanonikerstift – genügten den gewachsenen Ansprüchen der Reformwilligen nichtmehr; in ihren Augen war man in den bestehenden Klöstern und Stiften zu bequem geworden und hatte sich zu sehr dem weltlichen Leben genähert.
Daher kam es zur Entstehung neuer Mönchsorden, die die überkommene Regel des heiligen Benedikt übernahmen, sie aber wesentlich strenger auslegten, als das in den schon bestehenden Klöstern üblich war. Auch in den Stiften, in denen die Kanoniker nach einer 816 von Kaiser Ludwig dem Frommen für verbindlich erklärten Ordnung (Aachener Regel) lebten, entdeckte man vielfach die Ideale wieder, die der heilige Augustinus (+ 430) in seinen Schriften aufgezeigt hatte: Armut, äskeusche Disziplin, Leben in der Gemeinschaft. Da sie sich ausdrücklich darauf beriefen, nach der Regel des heiligen Augustinus zu leben, bezeichnet man die Mitglieder dieser Gemeinschaften als Augustiner-Chorherren und -frauen; sie waren nicht in Form eines Ordens organisiert. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens hatten die neuen Orden und Gemeinschaften einen gewaltigen Zulauf aus allen Schichten der Bevölkerung; sie wuchsen daher sehr schnell; die Anzahl der Klöster und Stifte nahm zu. Schon bald haben Fürsten, Grafen und Herren erkannt, daß man diese geistlichen Bewegungen durchaus erfolgreich zur Durchsetzung weltlicher Ziele einsetzen konnte.
Die Gründung von Klöstern oder Stiften war „in“; niemand konnte sich dem widersetzen, ohne der Verurteilung durch die öffentliche Meinung anheimzufallen. Durch Unterstützung solcher Gründungen in Grenzbereichen konnte maiden eigenen Einfluß ausdehnen und den der Gegner zurückdrängen. Die Betroffenen – die Frauen und Männer, die diese Institutionen gründen oder in sie eintreten wollten – waren sich wohl zumeist nicht bewußt, in welchem Ausmaß sie als Werkzeuge für die politischen Interessen Dritter dienten. Dies hat sich – unter geänderten Bedingungen – in vielem bis heute nicht geändert.
Diese ausführlichen Bemerkungen sind deshalb notwendig, weil auch in Lonnig zwar die Gründer selbst wohl von geistlichen Motiven geleitet worden sind, die Institution – das Stift – jedoch bald in weltliche Machtkämpfe hineingezogen worden ist, deren Ergebnis seine weitere Geschichte nachhaltig beeinflußt haben. Die neuen Orden und Gemeinschaften haben auch an Rhein und Mosel Zulauf gefunden. Ein Kanonikerstift nach der Regel des heiligen Augustinus – eines der ersten derartigen Stifte überhaupt – gründete 1107 Benigna, eine Ministerialin der rheinischen Pfalzgrafen an einem Ort, der bald den Namen Springiersbach erhielt (nahe der Straße von Alf an der Mosel nach Wittlich gelegen); wohl von Anfang bestand dort neben einem Männer- auch ein Frauenkonvent.

Die Geschichte Springiersbachs und der von dort ausgehenden Reformbewegung hat Ferdinand Paul geschrieben; Odilo Engels hat später ergänzend den politischen Zusammenhang dargestellt, in dem die Gründe für das Scheitern letztlich zu suchen sind. An diesen beiden Autoren orientiert sich im folgenden die Darstellung der Anfänge des Stiftes Lonnig. Benigna gehörte zur Dienstmannschaft (Ministerialität) des Pfalzgrafen. Sie war demnach unfreien Standes und konnte über ihren Besitz nicht frei verfügen. Ohne Zustimmung und Unterstützung des Pfalzgrafen wären Gründung und Ausstattung des Stiftes nicht möglich gewesen. Vorsteher der Gemeinschaft wurde bald Benignas Sohn Richard, der das Stift – zunächst mit dem Titel des Propstes, später dem des Abtes – bis zu seinem Tod 1158 leitete. In dieser Zeit entwickelte Springiersbach eine große Anziehungskraft; von überall kamen die Menschen, um die dort gelebten Ideale des heiligen Augustinus kennenzulernen.
In der Folge gründete man von Springiersbach aus an anderen Orten Gemeinschaften von Frauen und Männern, die nach der gleichen Regel lebten. Zu nennen sind hier neben Lonnig die Tochtergründungen in Andemach (später St. Thomas, 1127/28; dorthin wurde der ursprünglich in Springiersbach ansässige Frauenkonvent verlagert), Stuben (bei Bremm an der Mosel, 1137), Martenthal (am Oberlauf des Endertbaches, der bei Cochem in die Mosel mündet, 1141), Schönstatt (bei Vallendar, 1143), Merzig (an der Saar, 1152) und Marienburg (über der Mosel bei Zell-Kaimt, nach 1142). Lonnig steht in dieser chronologischen Auflistung an erster Stelle. Dort war – unabhängig von Springiersbach – bereits vor 1120 eine religiöse Gemeinschaft entstanden. Im Ort Lonnig, gelegen in der Pfarrei Kobem, hatte der trierische Ministeriale Werner eine der Jungfrau Maria geweihte Kapelle gebaut und einem gewissen Lutold übertragen.

 

Auch diese Zelle wurde zu einem religiösen Sammelpunkt. Es ist vermutet worden, Lutold sei mit einem Eremiten Liutolf identisch, bei dem sich Norbert von Xanten, später Gründer des Prämonstratenserordens und Erzbischof von Magdeburg, nach 1115 einige Zeit aufhielt; der Ort, an dem Liudolf lebte, wird nicht näher bezeichnet, soll aber zwischen Rhein, Mosel und Maas gelegen haben. Ob diese Vermutung stimmt, ob der heilige Norbert seine religiöse Prägung auch in Lonnig erhalten hat, wird kaum zu klären sein. Nach dem Tod Lutolds unterstellte der Gründer Werner die Zelle der Leitung des Propstes von Springiersbach; dies geschah wohl zwischen 1119 und 1123. Ebensowenig wie Benigna, die zur Ministerialität des Pfalzgrafen gehörte, konnte Werner als trierischer Ministeriale über seinen Besitz in Lonnig völlig frei – ohne Billigung des Erzbischofs – verfügen. Die Zustimmung des Erzbischofs Bruno (+ 1124) ist deshalb anzunehmen, Ferdinand Pauly hat aber herausgearbeitet, daß es bereits zu diesem Zeitpunkt erste Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Erzbischof und Springiersbach über den Einfluß auf Lonnig gegeben hat.

Offenbar weigerte sich der Abt von Springiersbach, das neue Stift dem Erzbischof zu übertragen; der lehnte es daraufhin ab, die Kirche in Lonnig zu weihen (l 123). Gründung und Ausstattung von Springiersbach waren mit Billigung und Unterstützung des rheinischen Pfalzgrafen erfolgt. Dieser wurde Vogt des Stiftes; er war damit dessen Schutzherr und übte, falls notwendig, über die auf den Gutem sitzenden, dem Stift gehörenden Leute die Gerichtsbarkeit aus. Dies sicherte ihm und seinen Nachfolgern unmittelbar in Springiersbach und mittelbar auch in dessen Tochtergründungen bleibenden Einfluß. Dem Erzbischof von Trier konnte dies nicht gleichgültig sein, denn in einer Zeit, in der sich die Territorien herauszubilden begannen, die im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die politische Landkarte Deutschlands bestimmt haben, war der Pfalzgraf einer der Hauptkonkurrenten des Erzstiftes Trier um Macht und Einfluß an der mittleren und unteren Mosel. Dem Pfalzgrafen gehörten dort neben dem großen Bezirk um Kröv, in dem Springiersbach lag, die Burgen Cochem und Treis sowie das weiter moselabwärts gelegene Alken. Hinzu kamen wichtige Positionen auf dem Maifeld, die erst im 13. Und 14. Jahrhundert endgültig aufgegeben worden sind. Albero von Montreuil (1131- 1152), der als erster Erzbischof von Trier eine systematische Territorial- und Burgenpolitik betrieben hat, war darum bemüht, um Koblenz und Mayen seinen eigenen Machtbereich auszuweiten.

Er konnte es nicht hinnehmen, daß ein Konkurrent in seinem Einflußbereich Stützpunkte hinzugewann, auch wenn es sich um geistliche Institutionen handelte. Da er als Erzbischof kaum eine Politik betreiben konnte, die die Existenz geistlicher Institutionen gefährdete, ist er dem Einfluß des Stiftes Springiersbach energisch dadurch entgegengetreten, daß er dessen Tochtergründungen zur Selbständigkeit verholten hat. So trieb er, indem er diese Stifte förderte, gleichzeitig eine gegen den hinter Springiersbach stehenden Pfalzgrafen gerichtete Territorialpolitik.

In Lonnig wurde dies erstmals durchgespielt. Im April 1128 hatte Papst Honorius II. dem Stift Springiersbach den Besitz der Zelle im Dorf Lonnig (Lunnecho) bestätigt. Dies ist die erste urkundliche Erwähnung von Lonnig. Im Jahre 1127 oder 1128 war die Leitung dieser Zelle einem Mann namens Bomo übertragen worden, der zuvor Abt in Klosterrath/Rolduc (heute Kerkrade, Niederlande) gewesen war. Er hatte sein Kloster um 1127 nach dem Ausbruch von Streitigkeiten verlassen und sich nach Springiersbach zurückgezogen. 1134 kehrte er als Abt nach Klosterrath zurück; die Quellen bezeichnen ihn als bisherigen Prior zu Lonnig. 1136 regelteErzbischof Albero die rechtliche Stellung der Zelle Lonnig neu.

Er erhob sie in den Rang einer selbständigen geistlichen Institution (abbatia); die dortigen Kanoniker erhielten das Recht, künftig ihren Vorsteher (Abt) frei zu wählen. In Ermangelung einer geeigneten Person im eigenen Haus konnte dieser auch aus einem anderen Augustinerkonvent gewählt werden. In jedem Fall bedurfte er der Zustimmung des Erzbischofs; Eingriffsmöglichkeiten der geistlichen Mittelinstanzen (Archidiakone, Landdekane) wurden ausdrücklich ausgeschlossen. Dies entsprach der Springiersbacher Gründungsurkunde von 1107. Da diese Urkunde aber für eine Institution ausgestellt wurde, über die der Propst bzw. Abt von Springiersbach bisher Aufsichtsrechte beansprucht und wohl auch wahrgenommen hatte, stellt sie eine erste Schwächung des Springiersbacher Einflusses dar. Zwar wurde ausdrücklich festgestellt, daß Lonnig weiter der Springiersbacher Klosterfamilie (Oboedienz) angehören sollte. Die Bestimmung, daß bei Streitfällen, die innerhalb des Konvents nicht gelöst werden konnten, der Erzbischofoberster Richter sei, entzog aber auch in diesem Punkt eventuellem Springiersbacher Einfluß den Boden. F. Pauly stellt mit einigem Erstaunen fest, daß die Jurisdiktion des Abtes von Springiersbach stillschweigend übergangen wurde.

Später (1142) ist davon die Rede, Abt Richard von Springiersbach habe Lonnig dem heiligen Petrus (d.h. der Trierer Kirche) übertragen. F. Pauly vermutet, dies sei als Reaktion auf die Urkunde von 1136 erfolgt. Seinen Thesen ist zuzustimmen; es ist aber zu betonen, daß das Handeln des Erzbischofs von Trier in starkem Maße von territorialpolitischen Motiven getragen wurde; auf diese von F. Pauly übersehenen Aspekte hat 0. Engels hingewiesen. Der Erzbischof übernahm 1136 die Vogtei über das Stift Lonnig; er bzw. ein von ihm Beauftragter übte künftig die Gerichtsbarkeit über die dem Stift gehörenden Leute aus. Eventuellen Gelüsten des Pfalzgrafen in dieser Richtung – von denen nichts bekannt ist – war er so von Anfang an entgegengetreten. Für die Ortsgeschichte ist schließlich noch von Bedeutung, daß das Stift innerhalb gewisser Grenzen Zehntfreiheit erhielt und ihm unbeschadet der Rechte der Mutterkirche in Kobern das Begräbnisrecht zugebilligt wurde. Vermutlich wollte man es durch diese Bestimmung ermöglichen, Angehörige des Konvents in oder bei der Stiftskirche beizusetzen.

Durch diese Urkunde hatte der Erzbischof einen Rahmen geschaffen, den es auszufüllen galt. Propst und Kanoniker wandten sich daher an Papst Innocenz II., der durch eine im April 1137 in Viterbo ausgestellte Urkunde das nach der Regel des heiligen Augustinus lebende Stift St. Marien zu Lonnig (Longechum) durch päpstliches Privileg bestätigte. Die einzelnen Bestimmungen folgen einem Katalog, der in den Papsturkunden der vorangehenden Jahrzehnte für Stifte, die nach der Regel des heiligen Augustinus lebten, üblich geworden war. Dem Propst Folmar und seinen Nachfolgern wurde das Recht zur Anleitung und Mahnung der Kanoniker zugestanden. Niemand, der im Stift Profeß geleistet hatte, sollte es ohne Zustimmung des Propstes und seiner Mitbrüder verlassen dürfen; insbesondere dürften diese Leute nicht in anderen geistlichen Institutionen ohne Zustimmung aus Lonnig aufgenommen werden.

Von Tieren und Naturalien, die sich zur Versorgung des Stiftes auf dessen Gelände befanden, sollte niemand den Zehnten fordern. Nach dem Tod des Propstes sollte ein Nachfolger durch Wahl der Kanoniker nach dem Rat frommer Männer aus anderen Stiften gewählt werden. Schließlich wurde das Stift in seinen Besitzungen bestätigt; diese werden allerdings nicht aufgezählt. Die Urkunde wurde vom Papst und elf Kardinalen unterzeichnet. Die vom Erzbischof im Jahre zuvor gewährte Selbständigkeit wurde so abgesichert. Der Papst betrachtete Lonnig, das bisher nur als Tochtergründung in für Springiersbach ausgestellten Urkunden erwähnt worden war, nun als eigenständige Institution. In der 1139 vom Papst für Springiersbach ausgestellten Urkunde wird Lonnig denn auch nicht mehr erwähnt. Im Stift Lonnig selbst hat man die Entwicklung wohl eher passiv hingenommen als aktiv mitgestaltet. Die 1136 vom Erzbischof eingeräumte, ja nahegelegte Möglichkeit, den Vorsteher mit dem Abtstitel zu schmücken, hat man nicht wahrgenommen; 1137 nannte sich der Vorsteher Folmar noch immer Propst. Durch eine am 22. Oktober 1142 ausgestellte Urkunde trieb Erzbischof Albero die Entwicklung weiter in seinem Sinne voran. Zunächst rekapitulierte er kurz die Geschichte des Stiftes, die Gründung durch den Ministerialen Werner, die Übergabe an Lutold und – nach dessen Tod – an Abt Richard von Springiersbach. Durch dessen Fürsorge habe Lonnig rasch an Bedeutung gewonnen. Dann heißt es, auf den Rat frommer Männer habe Richard mit Zustimmung seines eigenen Konvents den Ort Lonnig mit allem Zubehör dem heiligen Petrus übertragen. Nun hätten mit dem Rat des Erzbischofs die Brüder in Lonnig einen Abt gewählt und dem Erzbischof vorgestellt; dieser habe ihn geweiht. Im folgenden erneuerte Albero die Bestimmungen seiner Urkunde aus dem Jahr 1136; insbesondere betonte er die Vogtei- und Zehntfreiheit des Stiftes.

In der Zeugenliste der Urkunde, die in Trier auf der Generalsynode in Anwesenheit zahlreicher geistlicher Würdenträger ausgestellt wurde, erscheint auch Abt Richard von Springiersbach. Die auf den – wohl dringenden – Rat des Erzbischofs hin durchgeführte Abtswahl hat dessen Einfluß weiter wachsen lassen; Abt Richard hat das hinnehmen müssen. Abgeschlossen wird die Entwicklung zur Verselbständigung Lonnigs durch eine Urkunde, die Papst EugenIII. im Jahre 1145 für Springiersbach ausstellte: Nur die Vorsteher der Tochtergründungen, die von einem Propst, nicht von einem Abt geleitet wurden, hatten auf dem jährlichen Generalkapitel in Springiersbach zu erscheinen. Spätestens seit der im Oktober 1142 auf Initiative des Erzbischofs vorgenommenen Abtswahl gehörte Lonnig nicht mehr dazu. F. Pauly sieht nach 1145 Springiersbach und Lonnig gleichberechtigt nebeneinander stehen. In Springiersbach hatte anfangs neben dem Männer- auch ein Frauenkonvent bestanden, den Abt Richard 1127/28 nach Andernach verlegte; Leiterin wurde seine Schwester Texwindis. Auch in Lonnig haben beide Konvente nicht lange nebeneinander existiert.

Am 24. Oktober 1143 bekundete Erzbischof Albero von Trier, er habe auf Bitten des Lonniger Abtes Folmar den dortigen Frauenkonvent nach Schönstatt bei Vallendar verlegt; als Grund werden die für die Frauen unerträglichen und schädlichen Lebensbedingungen in Lonnig angegeben. Albero gewährte Schönstatt die gleichen Privilegien wie Lonnig (Vogt- und Zehntfreiheit) und stattete den neuen Konvent mit Gutem in Vallendar und Adenroth aus, die von den Brüdern von Isenburg bzw. Ulrich von Adenroth geschenkt worden waren; daneben blieb der neue Konvent, wie spätere Urkunden zeigen, auch in Lonnig begütert. Der Abt von Lonnig war weiterhin geistlicher Vorgesetzter; Streitigkeiten, die er und sein Konvent nicht beilegen konnten, sollten vor den Erzbischof gebracht werden. Auch hier erscheint Abt Richard von Springiersbach in der Zeugenliste. Am 13. Februar 1147 bestätigte Papst Eugen III. dem Abt und der Kirche von St. Marien zu Lonnig die von seinem Vorgänger Innocenz II. gewährten Privilegien und nahm das Stift unter seinen Schutz. Er stellte ausdrücklich fest, neben dem jeweiligen Erzbischof von Trier habe das Stift Lonnig keinen Vogt, und bestätigte dessen Besitzungen.

Anders als 1137 werden jetzt Namen genannt: Demnach besaß Lonnig einen Hof in Mendig, ein Gut mit Kapelle und Zubehör zu Minkelfeld sowie die vom Erzbischof geschenkten Besitzungen in Vallendar und Adenroth. Die mit eigener Hand auf eigenem Grund gewonnenen Nahrungsmittel sollten zehntfrei sein. Die Güter in Vallendar und Adenroth waren seit 1143 in Händen des früher in Lonnig ansässigen Frauenkonvents. Durch die Nennung in der Papsturkunde wird das Unterstellungsverhältnis des Frauen- unter den Männerkonvent deutlich, das der Erzbischof 1143 dadurch festgeschrieben hatte, daß er den Abt von Lonnig zum Vorgesetzten von Schönstatt machte. Nicht eigens erwähnt, aber als bestehend vorauszusetzen ist der Gemeindebesitz, den sowohl Männer- wie Frauenkonvent in Lonnig selbst innehatten. Mit dieser päpstlichen Bestätigung ist die Gründungsphase des Stiftes Lonnig abgeschlossen. Was wenige Jahrzehnte zuvor als eine aus Frauen und Männern bestehende Gemeinschaft im Gehorsam gegenüber dem Abt von Springiersbach begonnen hatte, war nun ein selbständiges, durch päpstliche und erzbischöfliche Privilegien abgesichertes Augustiner- Chorherrenstift, von dem ein auf dem anderen Rheinufer liegender Frauenkonvent abhängig war.

Literatur:
Ferdinand Pauly: Springiersbach. Geschichte des Kanonikerstifts und seiner Tochtergründungen im Erzbistum Trier von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Trier 1962 (Trierer Theologische Studien 13).
Odilo Engels: Der Erzbischof von Trier, der rheinische Pfalzgraf und die gescheiterte Verbandsbildung von Springiersbach im 12. Jahrhundert, in: Secundum regu lam vivere.
Festschrift für N. Backmund, hrsg. von G. Melville, Windberg 1978 S. 87 – 103. Neu abgedruckt
in: Odilo Engels: Stauferstudien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert. Festgabe zu seinem 60. Geburtstag, hrsg. von E. Meuthen und St. Weinfurter, Sigmaringen 1988 S. 160 – 176. Odilo Engels: Die Kirchenreform im Erzbistum Trier, in: Reformidee und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich. Vorträge der Tagung der Gesellschaft für mittelrheinische Kirchengeschichte vom 11. bis 13. September 1991 in Trier, hrsg. von St. Weinfurter, Mainz 1992 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte Bd. 68) S. 75 – 95. Peter Brommer: Das Augustiner-Nonnenkloster U.L.F. zu Schönstatt bei Vallendar (l 143 – 1567), in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 28,1976 S. 45 – 60. www.vorzeitkalender.de, www.goloring.com

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